Experteninterview mit Anne Dautzenroth1
Physiotherapie begleitet Menschen mit Cystischer Fibrose (CF) das ganze Leben. Die Eltern bzw. Partner*innen der Betroffenen übernehmen zeitweise bei der Behandlung eine wichtige Rolle. Worauf kommt es in den verschiedenen Altersstufen besonders an? Und was ändert sich, wenn Hänschen zu Hans wird?
Praktische Tipps von Anne Dautzenroth, Rostock, Physiotherapeutin und Mitglied im Vorstand des Mukoviszidose e. V.
Worauf ist bei der Behandlung von Babys ganz besonders zu achten?
Wesentlich bei der Therapie von Säuglingen sind Zeit und Ruhe. Nicht alles ist sofort machbar – schrittweise erlernen Eltern und Kind die Physiotherapie für zu Hause.
In guter Atmosphäre können Eltern bei den Behandlungen entspannt und behutsam agieren. Langsam und sanft sollen sie vorgehen, wenn sie das Kind berühren oder dessen Lage verändern. Erfolgt die Therapie regelmäßig zu einer bestimmten Zeit, registrieren das auch die ganz Kleinen. Ein derart vertrautes Ritual tolerieren sie leichter. Man kann beispielsweise immer vor dem Schlafengehen die Nase nochmals reinigen, inhalieren und einige Dehnübungen machen. Ist der Gesundheitszustand des Kindes gut, genügt es, die Physiotherapie einmal täglich zu machen. Zur Erkältungszeit in Herbst und Winter ist es ratsam, die Maßnahmen zweimal pro Tag durchzuführen. Der Aufwand lohnt sich: Betreibt man die Prophylaxe konsequent, werden die Kinder erfahrungsgemäß deutlich seltener richtig krank. Hat das Kind einen Infekt – etwa Husten oder Schnupfen – gilt es, die Therapie zu intensivieren. Dann empfiehlt es sich, die Nase mehrmals täglich zu reinigen, zwei- bis dreimal zu inhalieren und Ausstreichungen und Körperstellungen anzuwenden.
Kleinkinder sind lebendiger, und die Fantasie ist gefragt!
Kleinkinder haben einen enormen Bewegungsdrang und wollen nicht lange verweilen. Oft gelingt es, die Kinder mit Bilderbüchern oder mit Reimen für die Mitarbeit zu gewinnen.
Sie lieben Wiederholungen, denn die geben Sicherheit und machen Spaß. Puppen und Stofftiere, die sprechen oder vor- und mitmachen, können enorm motivieren. Physiotherapie zu Hause kann man abwechslungsreich gestalten, indem man die Bewegungsfreude der Kinder nutzt – etwa auf einem Pezziball, einer Matte oder dem Trampolin.
Außerdem kann man die Spielfreude durch Pustespiele oder das Nachahmen von Tierstimmen fördern und mit der Atmung spielen. Motivierend wirkt auch die besondere Zuwendung, indem man sich Zeit exklusiv für das betroffene Kind nimmt. Geschwister dürfen mitmachen und werden miteinbezogen.
Feste Rituale und liebevolle Konsequenz erleichtern es, die Therapie diszipliniert durchzuführen. So wird die Therapie zur Routine, die genauso selbstverständlich zum Leben gehört wie das Zähneputzen. Prinzipiell ist jedoch immer Augenmaß gefragt: Wenn das Kind gesundheitlich in guter Verfassung ist, darf man in besonderen Situationen auch mal einen Teil der Behandlung unter den Tisch fallen lassen, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Wenn im Winter die Nase trieft, ist es hingegen ratsam, zuverlässig zu inhalieren, auch wenn man unterwegs ist.
Was tun, wenn Teenager sich der Therapie widersetzen?
Jugendliche nabeln sich ab. Dann müssen die Eltern in den Hintergrund treten, den Sohn/die Tochter an der langen Leine lassen – was vielen schwerfällt. Ein wesentlicher Faktor: Macht ein Jugendlicher regelmäßig Sport, ist damit schon viel gewonnen.
Und selbst wenn der Betroffene mal über die Stränge schlägt, sollten die Eltern das nicht gleich als Katastrophe betrachten. Bei Teenagern ist es ratsam, sie ernst zu nehmen und an ihre Vernunft zu appellieren, indem man gezielt den Nutzen der Therapie herausstellt.
Allerdings sollte jeder Jugendliche die Verantwortung für sein Tun selbst übernehmen, man kann ihn zu nichts zwingen! Zu meinen Patienten sage ich ganz klar: „Du entscheidest, was du machst oder nicht machst.“
Dann muss ich aber auch zu meiner Aussage stehen und deren Entscheidung akzeptieren, ohne sie gutzuheißen, wenn sie nicht der eigenen Überzeugung entspricht!
Häufig nehmen Teenager von Therapeuten eher einen Rat an als von ihren Eltern – vor allem, wenn man sich schon seit Jahren kennt. Bei Jungen bewährt es sich manchmal, wenn sie einen männlichen Therapeuten bekommen, mit dem sie „von Mann zu Mann“ reden und üben können.
Junge Mädchen lassen sich mitunter lieber von einer Frau behandeln, da bei der Physiotherapie das Berühren des Körpers eine wesentliche Rolle spielt. Außerdem muss man auch die aktuelle Lebenssituation beachten. Steckt ein Patient gerade mitten im Prüfungsstress, rückt die Physiotherapie etwas in den Hintergrund. Hat er vor dem Termin beim Therapeuten schon zwei Stunden Sport gemacht, wird man eher Methoden wählen, die nicht so anstrengend sind und sich intensiver mit der Atmung beschäftigen.
Was ändert sich, wenn Mukoviszidose-Patient*innen erwachsen werden?
Erwachsene CF-Patient*innen haben meist schon langjährige Erfahrung mit der Therapie und ein beachtliches Gespür für ihren Körper entwickelt, wissen genau, was ihnen wann besonders guttut. Prinzipiell sind die Bedürfnisse sehr individuell! Einer meiner Patienten ist Zahnarzt, arbeitet in Vollzeit und ist zudem Leistungssportler. Bei der Therapie stehen für ihn Atemtechniken, Entspannen und Dehnen im Vordergrund. Ein Schwerkranker, der schon berentet ist und dem es häufig sehr schlecht geht, nimmt die Physiotherapie mitunter auch gern täglich in Anspruch, weil er sich dann wohler fühlt. Einige Patient*innen, die eine Lungentransplantation hinter sich haben, kommen danach nicht mehr zur Therapie, da sie sich gesund fühlen. Andere kommen weiterhin, benötigen dann aber ein anderes Behandlungsprogramm als vor der Operation. Deshalb ist es wichtig, dass die Physiotherapie individuell, situationsgerecht und maßgeschneidert erfolgt.
1. Interview mit Anne Dautzenroth, Physiotherapeutin, Praxis für Physiotherapie.